Die Frage dürften sich viele KollegInnen stellen, wenn sie über ihren Job nachdenken, denn unser Berufsbild wandelt sich laufend.
Als Videojournalismus in den Nullerjahren aufkam, lag das vor allem an der Digitalisierung. Videokameras und Schnittsysteme wurden so handlich, dass sie von einer Person bedient werden konnten. Gleichzeitig wurde die Technik günstiger, so dass schon zum Preis eines gebrauchten Kleinwagens eine professionelle Grundausstattung erschwinglich wurde. Mein Einstiegsmodell damals: Eine Canon XH A1 für gerade einmal 3.500 Euro, mit der ich sendefähig produzieren konnte (siehe Bild). Doch das war‘s im Grunde auch schon, was die Unterschiede zum klassischen EB-Team betraf. Wie jenes wurden die Veejays der ersten und zweiten Generation, aus der ich stamme, primär für reguläre TV-Produktionen eingesetzt. Recherchieren, Drehen, Schneiden, vielleicht noch eine grobe Tonmischung und gut, die Feinheiten der Postpro wurden vom Sender, bzw. von Fachpersonal übernommen.
Seitdem hat sich viel verändert, oft schleichend und insbesondere in den letzten fünf Jahren. Zum einen wurde Onlinevideo groß, mit Social Media sogar noch größer als erwartet. Zum anderen führten Medienstruktur- wie auch Finanzmarktkrise zu einem Umbau des Marktes. Alte Player wie dapd (Ex-ddp) verschwanden und neue wie AJ+ oder Zoomin.tv stiegen auf. Player, deren junges Personal fast keinen Bezug mehr zur TV-Branche hat und entsprechend eine andere Ästhetik bevorzugt. Distributionswege entstanden, die jene alte Ästhetik auch gar nicht mehr vertragen und vor allem; die nur noch reduzierte Budgets erlauben. Hinzu kamen neue Technologien: Großsensorkameras erzwingen eine andere Arbeitsweise als traditionelle Camcorder. Actioncams, Drohnen, 360-Grad-Video und Livestreaming haben Ästhetik und Aufgabenfelder erweitert. Integrierte Postproduktionslösungen wie die Adobe Creative Cloud, bzw. Final Cut Pro X lassen reine Schnitt-Apps wie AVID im Wortsinne „alt“ aussehen.
In der Folge ist die Produktionstiefe, die Veejays abverlangt wird, erheblich gestiegen. Er ist eben nicht mehr nur ein „Einmann-Team“, das die vordere Hälfte der Produktionskette abdeckt. Er hat den gesamten Ablauf zu beherrschen von der der klassischen Autorenarbeit bis hin zu Grafikdesign, VFX und Sounddesign. Wirklich komplett … ? Meine Antwort darauf fällt ambivalent aus. Einerseits ja, denn die Technik macht es eben möglich. Eine Kunde hat wenig Verständnis dafür, wenn der Videoprofi für die Erstellung einfacher visueller Effekte wie Bauchbinden oder Greenscreen-Shots horrende Aufpreise verlangt, wo doch selbst ein Zwölfjähriger das mit einer Smartphone-App hinbekommt. Daher stehen wir Videojournalisten in einem konstanten Wettlauf mit Technologieentwicklern und Usern oder anders gesagt: Wir müssen ständig dazulernen und investieren, selbst wenn das keine Mehreinnahmen beschert. Es geht schlichtweg darum, konkurrenzfähig zu bleiben.
Andererseits gibt es auch eine Grenze des Machbaren, besser gesagt des Zielführenden, die ich, gleichwohl sie sich ständig verschiebt, meinen Kunden zu kommunizieren versuche. So erstelle ich einfache visuelle Effekte natürlich zum normalen Stundensatz. Wenn aber vollwertige Animationssequenzen gefragt sind, stößt man auch mit Fortbildung an Grenzen, technischer Fortschritt hin oder her. Es gibt gute Gründe dafür, dass Illustratoren oder Motion Designer ein vollwertiges Studium absolvieren. Wo das Fachwissen und die Kreativität solcher und anderer ExpertInnen benötigt werden, landen wir eben doch wieder bei der guten, alten Arbeitsteilung – denn die Alternative wäre schlichtweg Pfusch.
Solche Grenzen ausloten und überzeugend darlegen gehört zu den Soft Skills, die Videojournalisten heute benötigen, womit sich zugleich ihr Aufgabenfeld verändert: Von reinen Journalisten werden sie zu Producern, die viel selbst erledigen, ebenso viel dazukaufen, gelegentlich auch nur noch mit Material von Content Providern arbeiten. Hier ist klassisches, filmwirtschaftliches Know-how gefragt, so wie das Erstellen von Kalkulationen, Finanzierungs- und Produktionsplänen.
Viele KollegInnen haben das verstanden und begeben sich auf diese durchaus spannende Reise. Andere haben den Schuss noch nicht gehört und für sie dürfte es bald eng werden. Der reine Veejay ist ein Auslaufmodell – die Zukunft gehört dem Videoproducer!