Veejays können normalerweise nur zwei Tonquellen aufzeichnen. Es geht auch mehr, wenn man die Tricks kennt
„Wir haben drei Protagonisten“, sagt die Produktionsleiterin. „Kannst du an deine Kamera drei Funkstrecken anschließen?“ Natürlich geht das nicht, denn keine mir bekannte Veejay-Kamera hat mehr als zwei Toneingänge. Für gewöhnlich ist der eine mit einem Kameramikrofon belegt, der andere mit einem externen Mikrofon, wahlweise wird dort das Signal aus einem Tonmischer eingespeist – und der wird von einem Tonassistenten bedient, mithin der zweiten Person in einem regulären EB-Kamerateam. Aber ein EB-Team ist eben kein Veejay mehr.
Die korrekte Antwort auf die Frage sollte demnach lauten: „Kein Ding. Mit einem Assistenten und der üblichen Tontechnik“. Sollte, denn in der Praxis kommt es eben doch immer mal wieder vor, dass ein Assi nicht verfügbar ist, zum Beispiel, weil die Zahl der Protagonisten erst kurz vor Drehbeginn feststeht. Wie dann mit dem Problem umgehen?
Einfach ist am besten
„Keep it simple!“ lautet die Regel Nummer Eins, die ein Videojournalist beherzigen sollte, das hat mich die Erfahrung gelehrt. Wenn möglich sollte man einer zweiten Person eine kabelgebundene Tonangel mit Richtmikrofon in die Hand drücken, um die drei Protagonisten damit abzunehmen. Das kann ein Autor/eine Autorin sein, sofern man zu zweit unterwegs ist, wahlweise ein „Freiwilliger“, den man vor Ort rekrutiert. Leider funktioniert diese charmant-einfache Lösung allenfalls bei statischen Setups, zum Beispiel einem Dreierinterview, denn reportagiges Tonangeln ist eine durchaus anspruchsvolle Tätigkeit. Sie setzt ein Maß an Erfahrung voraus, das sich nicht per Kurzeinweisung vermitteln lässt. Wenn unsere drei Protagonisten munter durcheinanderwirbeln, wie es bei Reportagen einfach dazugehört, nützt uns so ein „Ton-Bufdi“ daher wenig. Dann muss der Veejay eben doch selber ran.
Der Audiorekorder als Mischer
Er kann sich bei einem Geräteverleiher einen EB-Mischer wie das SQN-3 besorgen und über die Schulter hängen. Versehen mit drei Empfängern (und drei Mikros samt Sendern an den Protas) bekommt er so mit Glück eine brauchbare Vormischung. Der Nachteil bei der Sache: Wenn eines der drei zusammengemischten Eingangssignale aussetzt oder übersteuert, ist die gesamte Aufzeichnung ruiniert. Die bessere Lösung ist daher ein Audiorekorder, in meinem Fall ein Tascam DR 70D. Angeschafft hatte ich das Gerät eigentlich für die reine Tonaufzeichnung, aber dankenswerterweise hat er auch ein Line-Out, das sich via Adapterkabel problemlos mit einem XLR-Eingang der Kamera verbinden lässt. Und im Gegensatz zu einem reinen Tonmischer kann er eben auch aufzeichnen, sogar jeden Kanal separat. In besagter Situation nutze ich den DR 70D daher für beide Funktionen: Zum einen als Mischer, der drei oder sogar vier Tonquellen vormischt und zur Kamera „durchschleift.“ Zum anderen zeichne ich alle eingespeisten Tonsignale damit einzeln auf, so dass im Fall der Fälle Audiospuren nachträglich angelegt werden können, sofern die Summe, bzw. ein einzelner Kanal fehlerhaft sind.
Alles Einstellungssache
Zu beachten: Man sollte den Limiter auf allen Kanälen zuschalten, um etwas mehr Schutz gegen Übersteuerung zu haben. Ein Tonassi kann dann einfach betroffenen Kanal runterpegeln, als Veejay hat man dummerweise die Hände an der Kamera. Und natürlich muss man beide Geräte aufeinander abstimmen. Jeder klassische EB-Tonmischer kann dafür einen Pegelton erzeugen, Standard ist 1kHZ mit -18dB. Vor Drehbeginn „feuert“ der Assistent diesen Pfeifton einmal zur Kamera und stellt dort ebenfalls -18dB ein. Das geht auch mit dem Tascam, und zwar mit der Slate-Funktion. Diese elektronische Klappe kann man auch automatisch einpflegen, und zwar zu Beginn jeder Aufzeichnung. Das kurze „Tüüüt“ nervt im Betrieb ein bisschen, aber jeder Cutter, der die Töne nachträglich anlegen muss, wird dafür dankbar sein. Last but not least: Drei Funkstrecken plus Tascam, das sind zwölf (!) AA-Batterien oder Akkus. Wenn nur eine davon schwächelt, ist die Aufzeichnung gefährdet, deshalb sollte jede bei Drehbeginn absolut frisch sein. Normalerweise löbliche Sparsamkeit ist hier fehl am Platz.
Keine Standardlösung
Heureka, unser Problem ist also gelöst, wir brauchen nie mehr Tonassistenten, keine teuren EB-Tonmischer …. STOPP! Der Tascam DR 70D kostet nur rund 300 Euro, also weniger als die Hälfte eines professionellen EB-Tonmischers und natürlich wird da irgendwo gespart. Unter anderem ist das Ausgangssignal unsymmetrisch, was den Kabelweg zur Kamera störanfälliger macht, als z.B. bei einem SQN. Unabhängig davon bleiben genug andere Fehlerquellen. Drei Funkstrecken plus Mischer/Recorder, das sind sieben durchaus komplexe Geräte, die ein Veejay zusätzlich überwachen und steuern muss. Menüs können falsch eingestellt sein. Kabel, Steckverbindungen oder Batterien versagen. Frequenzen können gestört sein, kurz … Wenn man sich auf einen solchen Stunt einlässt, sollte man den Kunden auf die damit verbundenen Ausfallrisiken hinweisen. Und ihm dringend empfehlen, wenn irgend möglich beim nächsten Mal einen erfahrenen Tonassistenten für so einen Job mitzubuchen.