Erneut ein technischer Beitrag und auch diesmal keine Produktkritik, sondern subjektive Eindrücke vom praktischen Einsatz des RS 2 Pro Gimbals von DJI. Wozu überhaupt (zu Neudeutsch) „gimbaln“? Nun, die Ansprüche auch an videojournalistische Stücke steigen, Kunden lieben „saubere Fahrten“ in Bodennähe ebenso wie Drohnenflüge. Hinzu kommt, dass mit dem RS 2 Pro nun auch ein handliches Einhand-Gimbal mit hoher Traglast (bis 4,5 Kg) verfügbar ist, mithin sogar passend für klassische „Henkelmänner“ wie meine Panasonic AG CX 350.
Versuch und Irrtum
Das RS 2 Pro wird von DJI als Basisversion angeboten oder als Combo, die u.a. auch das Trackingsystem Raven Eye enthält und da der Aufpreis gering ist, entschied ich mich für diese Variante. Was man bekommt, ist eine kompakte Tasche, die neben dem Gimbal jede Menge Einzelteile enthält.
Bislang hatte ich immer mit einem Karma Grip von Gopro gearbeitet, eine Art Westentaschen-Gimbal, dessen Bedienung man einem Fünfjährigen erklären könnte, doch schon nach flüchtiger Begutachtung der RS 2 Pro-Combo war klar: Mit Plug and Play ist hier Schluss! Erst die genaue Lektüre der Anleitung und diverse Tutorials versorgten mich mit dem nötigen Know-how, um das Gerät in Betrieb zu nehmen, wobei es durchaus schmerzhafte Erlebnisse gab. So sind die Motoren des RS 2 Pro überraschend stark und wenn man es falsch kalibriert oder handhabt, kann es, samt montierter Kamera, im Wortsinne „um sich schlagen“.
Schnell lernt der Veejay, dass er sich für das Ausbalancieren der Kamera Zeit nehmen sollte und dass das bei einem Brocken wie der CX 350 lehrbuchmäßig eigentlich gar nicht geht, denn die liegt zwar unterhalb der maximalen Zuladung des Gimbals, allerdings ist sie von der Bauform her nur bedingt passend. Letztlich ermittelte ich Näherungswerte für die Kombination RS 2 Pro/CX 350, die dazu führten, dass sich beide halbwegs gut vertragen. Dennoch bleibt die Funktionalität des Gimbals etwas eingeschränkt, es ist eben primär für Kameras in der kompakten Bauform von DSMs/DSLRs konstruiert, unabhängig vom Gewicht.
Eine sinnvolle Ergänzung: Die mitgelieferte Schärfenziehvorrichtung, die dank eines „Zahnriemens“ an so ziemlich jeder Linse montiert werden kann und über das Rändelrad vorne am Gimbal gesteuert wird. Selbst bei Optiken ohne mechanische Anschläge funktioniert das überraschend gut.
Hilfreich bei Drehs unter kontrollierten Bedingungen: Die Schärfen-Fernbedienung des RS 2 Pro
Eher verzichtbar für Videojournalisten ist meiner Meinung nach Raven Eye. Im Grunde eine pfiffige Sache, die Kamera versorgt dieses Aufsteck-Modul per HDMI-Kabel mit einem Videosignal, das an ein Handy mit der entsprechenden DJI-App per Wifi weitergeleitet wird. Auf dem Bildschirm der App kann man dann jenes Objekt markieren, das das Gimbal im Blick behalten soll, was auch recht gut funktioniert. Da das Gimbal jedoch, zumindest im Modus PTF, sehr präzise auf Steuerbewegungen am Handgriff reagiert, ist Raven Eye normalerweise überflüssig. Sinn könnte es dort machen, wo der Kameramann motorisch anderweitig ausgelastet ist, z.B. ein Fahrrad fährt oder einen PKW steuern muss.
Praktischer Einsatz
Premiere hatte mein RS 2 Pro bei einer Mini-Serie über regionale Denkmäler. Diese statischen Motive durch Fahrten und Drohnenflüge aufzupeppen, erschien mir sinnvoll. Dabei stellte sich heraus, dass der Zeitaufwand, um die Hauptkamera ständig vom Stativ- auf den Gimbal-Betrieb umzubauen, für einen eng getakteten Drehtag zu hoch ist. Zehn Minuten muss man dafür schon rechnen und der Rückbau dauert ebenfalls, selbst wenn man das Gimbal nicht völlig zerlegt. Letztlich montierte ich eine Nikon DSLR fest auf das RS2 Pro und beließ meine CX 350 so wie sie war – dann passte es zeitlich wieder, aber klar wurde: Für den schnellen Run and Gun-Einsatz mit nur einer Kamera, inklusive zügigem Wechsel zwischen Handbetrieb, Stativ und Gimbal, ist das RS 2 Pro kaum geeignet.
Das nächste Szenario passte schon besser: Für einen TV-Sender sollte ich -diesmal als reiner Kameramann mit Reporter- einen Nachbarschaftsstreit dokumentieren, und zwar live! Diesen Einsatzweck hatte ich bei der Anschaffung des RS 2 Pro im schon im Kopf gehabt und deshalb auch ein dünnes, leichtes SDI-Kabel angeschafft, um die Kamera mit einem LiveU-Rucksack, der das Signal an den Sender schickt, verbinden zu können.
Rückblickend war der Gimbaleinsatz hier genau die richtige Entscheidung: Die beiden Streithähne rannten unter Beschimpfungen wild hin und her, gefolgt vom Reporter, der versuchte zu vermitteln. Mit einer Hand- oder auch Schulterkamera wäre die rund zehnminütige Plansequenz ziemlich sicher zu einem Wackel-Dackel erster Güte geworden, doch das RS 2 Pro glich auch hektische Bewegungen zuverlässig aus, wobei man irgendwann schon anfängt, die Oberarmmuskeln zu spüren. Zierlich gebaute Menschen dürften hier an Grenzen kommen. Schon deshalb, aber auch um die Motoren des Gimbals etwas zu entlasten, macht es Sinn, eine relativ schwere Kamera wie die CX 350 so weit als möglich abzuspecken, bevor man sie auf dem RS 2 Pro montiert. Das externe Kameramikro flog ebenso „über Bord“ wie die Gegenlichtblende, UV-Filter und manch anderer Kram.
Die manuellen Funktionen der Kamera sind im Gimbal-Betrieb nur eingeschränkt nutzbar. Vom Zoom ließ ich ganz die Finger, bei der Schärfe musste die Automatik ran, ebenso beim Tonpegel, nur die Blende zog ich wegen starker Kontraste manuell; ist man doch schon genug mit dem Führen des Gimbals ausgelastet, wobei man Korrekturen über Hoch- und Querachse am besten gefühlvoll mit dem kleinen Joystick am Griff vornimmt. Mithin ist der Betrieb eine Mischung aus motorischer Grob- und Feinarbeit, eine Sache, die durchaus der Übung bedarf. Ohne gute Automatikfunktionen an der Kamera ist die Gefahr des Scheiterns real, selbst wenn sie, so wie meine CX 350, „nur“ einen 1“ Sensor hat. Der Reportagebetrieb mit einer Vollformat-Kamera, manueller Linse und offener Blende wäre jedenfalls ein recipe for disaster, zumindest ohne Assistenten mit Funkschärfe.
Völlig unkritisch: Das leichte SDI-Kabel von der Kamera zum LiveU-Rucksack. Das RS 2 Pro steckte diese Zusatzlast locker weg, nur das Spiralkabel meines Kopfhörers war zuviel. Audio Monitoring sollte deshalb mit leichten „Ohrwürmern“ (Mini-Kopfhörern) vorgenommen werden, auch eine Drahtlos-Lösung ist denkbar.
Kameraführung
Ich habe schon Erfahrungen mit Unterwasserkameras sowie Drohnen sammeln können (siehe unten in diesem Blog) und manche Erkenntnisse daraus lassen sich auf den Gimbal-Einsatz übertragen. Gefummel an Kamerafunktionen während der Aufnahme ist kontraproduktiv, da es von der Kernaufgabe (Kadrieren und Bewegen) ablenkt, man muss sich schon auf Automatiken verlassen. Auch neigt man dazu, mehr zu fahren als nötig, einfach weil es möglich ist! Entsprechend sollte der Kameramann sich zwingen, hinreichend viele statische Einstellungen zu drehen. Noch eine Parallele: Wer fliegt, taucht, gimbalt, „liebt die Halbtotale“, einfach weil die Brennweite meist fest ist und man ja nichts verpassen möchte. Für Cutter ist ein Film aus Halbtotalen jedoch ein Albtraum, deshalb gilt: Ran an den Speck, ganz bewusst Groß- und Detailaufnahmen machen!
Fazit
Ist ein „schweres“ Einhand-Gimbal wie das RS 2 Pro für Videojournalisten/Einmann-Teams geeignet? Ich antworte mal a la Radio Eriwan: Kommt drauf an. Mit genügend Vorbereitungszeit, bzw. einer separaten Kamera nur für das Gimbal kann man gute Ergebnisse erzielen. Klar sollte aber sein, dass das RS 2 Pro vom Komplexitätsgrad durchaus mit einer Drohne vergleichbar ist, auch was das Trainieren der Motorik für die Steuerung angeht. Daraus ergibt sich, dass spontanes Ausleihen keine Option ist. Kurz beim Verleiher testen und dann ab zum Motiv: Ohne vorherige Übung mit vergleichbaren Geräten wird man da ziemlich sicher scheitern. Nicht zuletzt: Körperliche Fitness! Man muss für Gimbal-Drehs kein Schwarzenegger sein, aber im Zweifel lohnt es vielleicht, neben dem Kaufpreis noch 50 Euro mehr einzuplanen. Für ein Paar Hanteln.